Eine Empfehlung zur großen Pflicht der Nächstenliebe

1. Korinther 13,8: „Die Liebe vergeht niemals.“

Nichts ist wertvoller und lobenswerter als die Nächstenliebe und doch wird keine Pflicht weniger praktiziert als sie. Oft heucheln wir Besorgnis und Mitleid für das Elend und die Not unserer Mitmenschen, aber dennoch bemitleiden wir selten ihre Situation so sehr, dass wir ihnen nach unseren Möglichkeiten helfen; aber solange wir sie nicht mit dem unterstützen, woran sie an Leib und Seele Mangel leiden, dann sind alle unsere guten Wünsche nicht mehr als Worte ohne jeglichen Wert und Bedeutung, die auch weder geschätzt noch beachtet werden sollten: Denn wenn wir von einer bedauernswerten Lage hören, in der sich unsere Mitmenschen befinden, egal ob Freunde oder Feinde, dann ist es als Christen unsere Pflicht, ihnen nach Kräften zu helfen.

   Tatsächlich, meine Brüder, sollen wir uns selbst oder unsere Familien nicht schädigen; das ist nicht die Art von Nächstenliebe, die von St. Paulus so dringend empfohlen wird; nein, aber wenn wir in der Lage sind, ihnen zu helfen, ohne uns selbst oder unseren Familien dabei zu schaden, dann ist es unsere Pflicht, es zu tun; und diese vergeht niemals, dort wo sie den richtigen Motiven und der richtigen Absicht entspringt.

   Der heilige Paulus hatte im vorangehenden Kapitel aufgezeigt, dass die geistliche Gaben unterschiedlich sind; dass Gott einem Menschen einen Segen zugeteilt hat und einem anderen einen anderen; und obwohl es eine Vielfalt an Segnungen gibt, hat Gott sie nicht alle einer Person verliehen, sondern dem einen hat er einen Segen geschenkt, den er einem anderen verweigert hat, und einen Segen oder eine Gabe einem anderen gegeben, was wiederum diesen auf eine Weise auszeichnete, wie es die Gabe des anderen mit ihm auf eine andere Weise tat: Doch obwohl diese unterschiedlichen geistlichen Gaben existieren, werden sie alle aus einem weisen Grund gegeben, nämlich dass alle davon profitieren sollen und zu diesem Zweck werden sie so verschieden verliehen. Wir sollen einerseits die Gaben, die Gott uns gegeben hat, nicht verbergen: Andererseits sollen wir sie aber auch nicht verschwenden, indem wir sie für unsere Begierden und Vergnügungen vergeuden, um unsere sinnlichen Gelüste zu befriedigen; vielmehr sollen sie zum Ruhm Gottes und zum Wohl unsterblicher Seelen eingesetzt werden. Nachdem er dies ausführlich erläutert hat, kommt er zu dem Schluss, dass alle Gaben, so großartig sie an sich auch sein mögen, keinerlei Wert haben, wenn wir keine Nächstenliebe haben, wie ihr es ganz besonders durch die Betrachtung des Anfangs dieses Kapitels erkennen könnt.

   Bevor ich jedoch weiter fortfahre, möchte ich euch zunächst erklären, was der Apostel unter Nächstenliebe versteht; nämlich: Liebe; wo wahre Liebe ist, da wird auch Nächstenliebe sein; es wird das Bestreben geben, zu helfen, zu unterstützen und zu entlasten, entsprechend den Möglichkeiten, mit denen Gott uns gesegnet hat. Und weil das so sehr vom Apostel empfohlen wird, lasst uns sehen, wie wertvoll diese Nächstenliebe ist und wie lobenswert in allen, die sie praktizieren. Ich werde:

I. Diese Segnung in Bezug auf den menschlichen Leib betrachten.

II. Zeigen, wie sie noch viel wertvoller ist in Verbindung mit den Seelen der Menschen.

III. Euch zeigen, wann eure Nächstenliebe von der richtigen Sorte ist,

IV. Warum diese Nächstenliebe, oder die Gnade der Liebe, niemals vergeht.

V. Mit einer Ermahnung an Hoch und Niedrig, Reich und Arm abschließen, einer mit dem anderen, bei der ständigen Ausübung dieser wertvollen und lobenswerten Pflicht gefunden zu werden.

I. Ich werde erstens diese Pflicht in Bezug auf den menschlichen Leib betrachten.

   Erstens: Oh, dass die Reichen erkennen würden, wie lobenswert diese Pflicht ist, ihren Mitmenschen zu helfen! Wir wurden geschaffen, um einander zu helfen; Gott hat keinen Menschen so unabhängig gemacht, dass er nicht die Unterstützung eines anderen bräuchte; der reichste und mächtigste Mann auf dieser Erde braucht die Hilfe und Unterstützung von denen, die ihn umgeben; und obwohl er heute reich sein mag, könnten tausend Unfälle ihn morgen ebenso arm machen; derjenige, der heute im Überfluss lebt, kann morgen in ebenso großer Not sein. Wenn unsere reichen Männer wohltätiger gegenüber ihren armen Freunden und Nachbarn wären, würde dies ein Mittel sein, sie im Fall einer Wende des Schicksals in den Augen anderer zum Wohlwollen zu empfehlen; aber ach, unsere großen Männer geben ihr Geld lieber für ein Theater, einen Ball, einen gesellschaftlichen Anlass oder eine Maskerade aus als einem armen bedrängten Diener Jesu Christi zu helfen. Sie geben ihr Vermögen lieber für ihre Falken und Hunde, für ihre Huren und irdische, sinnliche, teuflische Vergnügungen aus, als einen ihrer bedrängten Mitmenschen zu trösten, zu ernähren oder zu entlasten. Was ist der Unterschied zwischen dem König auf dem Thron und dem Bettler auf dem Misthaufen, wenn Gott ihre Seelen fordert? Es gibt keinen Unterschied im Grab, meine Brüder, noch wird es einen am Tag des Gerichts geben. Ihr werdet nicht entschuldigt, weil ihr ein großes Vermögen und ein schönes Haus gehabt habt und in allen Vergnügungen, die die Erde bieten konnte, gelebt habt; nein, diese Dinge werden eins der Mittel eurer Verurteilung sein; ihr werdet nicht nach der Größe eures Vermögens gerichtet, sondern nach dem Gebrauch, den ihr davon gemacht habt.

   Jetzt denkt ihr vielleicht an nichts anderes als an eure Vergnügungen und Freuden, daran, in Bequemlichkeit und Überfluss zu leben, und bedenkt nie, wie viele Tausende eurer Mitmenschen sich über das freuen würden, was ihr verschwendet und nicht wertschätzt. Lasst mich euch, meine reichen Brüder, bitten, an die Armen der Welt zu denken und daran, wie lobenswert und rühmenswert es ist, denjenigen Linderung zu verschaffen, die in Not sind. Bedenkt, wie wohlgefällig das vor Gott ist, wie erfreulich es für die Menschen ist, und wie viele Gebete zu eurem Wohl ihr von denen erhalten werdet, denen ihr wohlgetan habt; und lasst das einen Grund sein, ein wenig von dem Überfluss abzugeben, mit dem Gott euch gesegnet hat, um seinen Armen Linderung zu verschaffen. Er hätte euch in ihre niedrige Lage versetzen können und sie in eure hohe Stellung; es ist nur sein Wohlgefallen, das den Unterschied gemacht hat, und sollte euch das nicht dazu veranlassen, euch an eure bedrängten Mitmenschen zu erinnern?

   Lasst mich euch bitten, zu überlegen, was euch am Tag des Gerichts besser dastehen lassen wird: Das viele Geld, das bei einem Pferderennen, einem Hahnenkampf, einem Theaterstück oder einem Maskenball ausgegeben wurde, oder was von euch zur Linderung der Not eurer Mitmenschen und für die notleidenden Glieder des Leibes Jesu Christi gegeben wurde.

   Ich bitte euch, darüber nachzudenken, wie wertvoll und lobenswert diese Pflicht ist: Seid nicht böse, dass ich euch so sehr zu dieser Pflicht ermahne, die von Jesus Christus selbst und von all seinen Aposteln so sehr empfohlen wird. Ich spreche insbesondere zu euch, meine reichen Brüder, und bitte euch, an diejenigen zu denken, die in dieser Welt arm sind, und ihnen von Zeit zu Zeit zu helfen, wenn sie es nötig haben. Denkt daran, dass ein Fluch über den Reichtum derjenigen ausgesprochen wird, die diesen nicht zum Guten nutzen; nämlich: „Nun also, ihr Reichen, weint und heult über euer Elend, das über euch kommt! Euer Reichtum ist verfault, und eure Kleider sind von Motten zerfressen worden. Euer Gold und Silber ist verrostet, und ihr Rost wird zum Zeugnis sein gegen euch und euer Fleisch fressen wie Feuer; ihr habt Schätze gesammelt in den letzten Tagen.“ 1Jak 5,1-3 Ihr seht das schreckliche Wehe, das über all jene ausgesprochen wird, die den Überfluss dieses Lebens anhäufen, ohne die Not derer zu lindern, die der Linderung bedürfen. Und der Apostel Jakobus fährt damit fort, auch gegen diejenigen zu reden, die Vermögen durch Betrug erworben haben, wie es zu viele in diesen Tagen getan haben. „Siehe, der von euch vorenthaltene Lohn der Arbeiter, die eure Felder geschnitten haben, schreit, und das Geschrei der Schnitter ist vor die Ohren des Herrn Zebaoth gekommen. Ihr habt auf der Erde in Üppigkeit gelebt und geschwelgt; ihr habt eure Herzen gemästet an einem Schlachttag.“ 2Jak 5,4-5 Wenn ihr also weiterhin nach den Begierden des Fleisches lebt, eure Bäuche verwöhnt und sie zu eurem Gott macht, 3Phil 3,19 während die Armen um euch herum hungern, wird Gott diese Dinge zum Zeugnis gegen euch machen, das wie ein Wurm für euren Seelen sein und in alle Ewigkeit an eurem Gewissen nagen wird. Darum lasst mich einmal mehr die Barmherzigkeit gegenüber den leiblichen Bedürfnissen der Menschen empfehlen und euch bitten, daran zu denken, was unser gesegneter Herr Jesus Christus denen versprochen hat, die die Glieder seines Leibes so lieben: „Was ihr einem der geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ 4Mt 25,40

   Ich spreche jetzt nicht für mich selbst; ich empfehle euch nicht meine kleine Herde in Georgia; denn sonst könntet ihr vielleicht sagen, wie viele es leichtfertig tun, dass ich das Geld für mich selbst haben möchte; nein, meine Brüder, ich empfehle euch jetzt die Armen dieses Landes, eure armen Nachbarn, armen Freunde, ja, eure armen Feinde; sie sind es, für die ich jetzt spreche. Und wenn ich so viele auf den Straßen hungern und fast nackt sehe, ist mein Inneres bewegt von Mitleid und Sorge, darüber nachzudenken, dass viele, in deren Macht es stehen würde, helfend einzugreifen, ihr Mitgefühl verschließen sollten und ihren Mitmenschen keine Linderung verschaffen würden, obwohl diese sich in einer ganz elenden Lage befinden und so eine Hilfe dringend benötigen würden.

   So wie ich die Barmherzigkeit besonders den Reichen unter euch empfohlen habe, so möchte ich jetzt zweitens: Diese einer anderen Gruppe von Leuten unter uns empfehlen, die, anstatt in den Taten der Nächstenliebe ganz vorne mit dabei zu sein, für gewöhnlich hierin die am Zurückhaltendsten sind; ich meine die Geistlichen dieses Landes.

   Guter Gott! Wie erstaunlich ist der Gedanke, dass diejenigen, die Gott berufen hat, in geistlichen Dingen zu arbeiten, in dieser Pflicht so zurückhaltend sind, wie die bittere Erfahrung zeigt. Unsere Geistlichen (also die Mehrheit von ihnen) suchen nur nach Beförderung, laufen auf und ab, um eine Pfründe nach der anderen zu erhalten und ein Vermögen anzuhäufen, entweder um es für die Vergnügungen des Lebens auszugeben oder um ihre sinnlichen Gelüste zu befriedigen, während die Armen ihrer Herde vergessen werden; nein, schlimmer noch, sie werden verachtet, gehasst und geringgeschätzt.

   Ich spreche jetzt nicht, meine Brüder, von allen Geistlichen; nein, Gott sei Dank, es gibt einige unter ihnen, die solche Handlungsweisen verabscheuen und bereit sind, die Bedürftigen zu unterstützen; aber Gott weiß, diese sind nur sehr wenige, während viele überhaupt nicht an die Armen unter sich denken.

   Sie können die Reichen und Mächtigen besuchen, aber die Armen ertragen sie nicht in ihrer Nähe; sie sind vergesslich, absichtlich vergesslich gegenüber den armen Gliedern des Leibes Jesu Christi.

   Sie haben die alten Wege verlassen und sind auf einen neuen, vornehmen Weg abgebogen, der jedoch im Wort Gottes keine Grundlage hat: Sie sind in eine vornehme Art des Handelns verfallen; doch so fein diese auch sein mag, sie war nicht die Praxis der Apostel oder der Christen in irgendeiner Epoche der Kirche: Denn diese besuchten und unterstützten die Armen unter ihnen; aber wie selten ist das unter uns, wie selten finden wir Nächstenliebe bei einem Geistlichen?

   Es erfüllt mich mit Trauer, diese Dinge anzusprechen, aber die bittere Erfahrung bezeugt ihre Wahrheit und wenn alle Geistlichen dieses Landes hier wären, würde ich ihnen mutig sagen, dass sie nicht im Geiste der Nächstenliebe wandeln, sondern in ihrer Pflicht nachlässig sind. Anstatt „alles zu verkaufen und den Armen zu geben,“ 5Mt 19,21 verkaufen sie nichts, noch geben sie überhaupt den Armen.

   Drittens möchte ich euch, die ihr arm seid, dazu ermahnen, zueinander gegenseitig wohltätig zu sein.

   Obwohl ihr vielleicht kein Geld oder keine materiellen Güter habt, die ihr einander geben könnt, könnt ihr dennoch anderen helfen, indem ihr sie tröstet und ihnen Rat spendet, um nicht entmutigt zu sein, auch wenn sie in der Welt arm sind; oder in Zeiten der Krankheit könnt ihr helfen je nach eurer Zeit oder Fähigkeit. Seid nicht unfreundlich zueinander, macht einander nicht traurig oder verärgert oder wütend; denn das gibt der Welt einen Vorteil über euch.

   Und wenn Gott jemanden erweckt, euch zu unterstützen, missbraucht nicht das, was seine Vorsehung euch durch die Hände eines Christen geschenkt hat: Bleibt stets demütig und wartet auf Gott; murrt nicht und seid nicht unzufrieden, wenn andere Hilfe erhalten und ihr nicht; wartet weiter auf den Herrn und helft einander, entsprechend euren Fähigkeiten, von Zeit zu Zeit.

II. Nachdem ich euch gezeigt habe, wie wertvoll sie für die leiblichen Bedürfnisse der Menschen ist, komme ich nun zum zweiten Punkt, nämlich zu zeigen, wie viel wertvoller diese Nächstenliebe ist, wenn sie auf die Seelen der Menschen abzielt.

   Und ist die Seele nicht wertvoller als der Leib? Es würde uns keinen Vorteil bringen, sondern nur unendlichen Nachteil, die ganze Welt zu gewinnen, wenn wir dabei unsere Seelen verlören. 6Mt 16,26 Die Seele ist von unendlichem Wert und von unendlicher Bedeutung und daher sollten wir unsere Nächstenliebe immer dann ausweiten, wenn wir die Notwendigkeit sehen. Ebenso sollten wir tadeln, ermahnen und ermutigen, mit aller Gottesfurcht und Liebe.

   Wir sollten, meine lieben Brüder, alle Mittel und Gelegenheiten für die Rettung unserer eigenen Seelen und die der Seelen von anderen nutzen. Vielleicht haben wir viel Nächstenliebe und Sorge für die leiblichen Bedürfnisse unserer Mitmenschen, aber keinen Gedanken oder keine Sorge um ihre unsterblichen Seelen. Doch wie traurig ist es, für das Sterbliche zu sorgen, aber nicht für das Unsterbliche; für den Körper unserer Mitmenschen Nächstenliebe zu haben, während wir uns nicht um ihre unsterblichen Seelen kümmern; es könnte sein, dass wir ihnen helfen, sich selbst zu ruinieren, aber nicht darin besorgt sind, sie zu retten.

   Ihr mögt es vielleicht lieben, mit ihnen einen fröhlichen Abend zu verbringen, ins Theater oder zu einem Pferderennen zu gehen, aber auf der anderen Seite könnt ihr den Gedanken nicht ertragen, mit ihnen zu einer Predigt oder in eine religiöse Gesellschaft zu gehen; nein, ihr würdet mit ihnen die Spottlieder der Zecher 7Ps 69,13 singen, aber keine Hymnen; das ist nicht fein genug, das entspricht nicht dem Geschmack eines kultivierten Menschen, es ist unmodern und wird nur von einer Schar von Schwärmern und Verrückten praktiziert.

   So seid ihr ohne Nächstenliebe, so Hand in Hand mit denen zu gehen, die auf ihre eigene Verdammnis zusteuern, während ihr gleichzeitig nicht so viel Nächstenliebe zeigt, ihnen zu helfen, von der Finsternis zum Licht und von der Macht des Satans zu Gott 8Apg 26,18 zu gelangen? Aber das, meine lieben Brüder, ist die größte Nächstenliebe, die es gibt, eine Seele vom Tode zu retten: 9Jak 5,20 Dies ist von weitaus größerem Nutzen, als den Körper eines Mitgeschöpfs zu unterstützen; denn das elendeste Subjekt, das man sich nur vorstellen kann, würde durch den Tod von allem erlöst werden. Aber für diejenigen, die nicht wiedergeboren sind, wäre der Tod keineswegs eine Erlösung von allen Qualen, sondern im Gegenteil ein Zugang zu allen Qualen und das für alle Ewigkeit. Daher sollten wir, so weit wie möglich, helfen, eine Seele davon abzuhalten, in die Hände Satans zu fallen; denn er ist der große Feind der Seelen. Wie sehr sollte uns das dazu bewegen, über unsere eigenen und die Seelen anderer zu wachen! Denn wenn ihr es nicht ernst meint mit Gott, wird Satan zu mächtig für euch sein. Sicherlich ist es die größte Nächstenliebe, gegenseitig über unsere Worte und Taten zu wachen, damit wir einander warnen können, wenn Gefahr nahe ist oder wenn der Feind der Seelen sich nähert.

   Und wenn ihr erst einmal den Wert eurer eigenen Seelen erkannt habt und wisst, was es bedeutet, wie ein Brandscheit aus dem brennenden Feuer gerissen worden zu sein, 10Sach 3,2 werdet ihr darauf bedacht sein, dass auch andere aus demselben Zustand herausgebracht werden. Es geht nicht darum, dass man ein moralisches Leben führt, dass man ehrlich ist und bei jedem seine Schulden ordentlich bezahlt; das beweist nicht, dass ihr euch im Zustand der Gnade befindet oder wiedergeboren seid und im Geist eurer Gesinnung erneuert seid: 11Eph 4,23 Nein, ihr könnt ehrlich, gerecht, wohltätig sterben und doch nicht im Zustand der Errettung sein.

   Es ist nicht das Predigen jener Moral, die in den meisten unserer Kanzeln nun vorgebracht wird, das ausreicht, um euch von der Sünde zu Gott zu bringen. Ich sah, dass ihr bereit wart zu lernen und dennoch unwissend über die Notwendigkeit, wiedergeboren zu werden, erneuert, dass alte Dinge vergangen sind und alles neu geworden ist 122Kor 5,17 in euren Seelen. Ich konnte es nicht ertragen, meine Brüder, euch auf dem Weg zu sehen, der ins Verderben führt, 13Mt 7,13 und niemanden, der euch zurückbringt. Es war die Liebe zu euren Seelen, es war der Wunsch, Christus in euch geformt zu sehen, 14Gal 4,19 der mich auf die Felder, die Landstrassen und an die Zäune 15Lk 14,23 brachte, um euch Jesus, einen gekreuzigten Jesus, zu predigen, der für euch gestorben ist. Es war tatsächlich die Nächstenliebe zu euren Seelen, die mich der gegenwärtigen schlechten Behandlung meiner schriftgelehrten Brüder ausgesetzt hat.

   Lasst mich euch daher raten, gütig zueinander zu euren Seelen zu sein; das heißt, indem ihr sie mit aller Liebe und Zärtlichkeit ermahnt, Christus nachzufolgen und den Dingen nachzustreben, die zu ihrem ewigen Frieden gehören, bevor sie für immer vor ihren Augen verborgen sein werden.

III. Ich fahre nun fort und zeige im dritten Punkt, wann eure Nächstenliebe von der rechten Art ist.

Hier, meine Brüder, werde ich zunächst zeigen, wann sie es nicht ist, und zweitens, wann sie es ist.

1. Eure Nächstenliebe ist nicht von der rechten Art, wenn sie aus weltlichen Absichten oder Zielen heraus geschieht.

   Wenn sie getan wird, um von Menschen gesehen zu werden, um einen Vorteil von ihnen zu erhalten, um geschätzt zu werden oder einen Ruf in der Welt zu gewinnen; oder wenn ihr stolz darauf seid und erwartet von Gott allein dafür Vorteile zu ernten; wenn all dies oder eins davon das Ziel eurer Nächstenliebe ist, dann ist alles umsonst; eure Nächstenliebe entspringt nicht dem rechten Zweck, sondern ihr täuscht eure eigenen Seelen. Wenn ihr ein Almosen gebt, nur um dabei von Menschen gesehen zu werden, oder weil ihr dafür einen Gefallen von Gott erwartet, nur allein dafür, dann habt ihr weder die Ehre Gottes noch das Wohl eurer Mitmenschen im Herzen, sondern nur euch selbst: Das ist keine Nächstenliebe.

2. Und das ist auch keine wahre Nächstenliebe, wenn wir unseren Mitmenschen etwas geben, nur um sie in ihrem Laster zu unterstützen; das ist so weit entfernt davon, Nächstenliebe zu sein, dass es eine Sünde ist, sowohl gegenüber Gott als auch gegenüber unseren Mitmenschen. Und dennoch ist es so üblich wie es sündhaft ist, unsere Freunde unter dem Vorwand der Nächstenliebe zur einen oder anderen Vergnügung auszuführen, mit keiner anderen Absicht, als sie zu Exzessen zu verleiten. Dadurch seid ihr doppelt schuldig: Wir sollen selbst nicht sündigen, und noch viel weniger sollten wir uns bemühen, andere zur Sünde zu verleiten. Und:

3. Unsere Nächstenliebe entspringt dem richtigen Ziel, wenn sie aus Liebe zu Gott und zum Wohlergehen von Leib und Seele unserer Mitmenschen hervorgeht.

   Wenn das alleinige Ziel darin besteht, unsere notleidenden Mitmenschen zu unterstützen, dann entspringt unsere Nächstenliebe aus einem richtigen Motiv, und wir können erwarten, dadurch Nutzen zu erlangen: Das ist die Nächstenliebe, die Gott gefällt. Gott freut sich, wenn alle unsere Taten aus Liebe geschehen, Liebe zu ihm selbst und Liebe zu unsterblichen Seelen.

   Bedenkt, meine lieben Brüder, dass es die Liebe zu den Seelen war, die den gesegneten Jesus aus dem Schoß seines Vaters zu uns brachte; die ihn, der gleich an Macht und Herrlichkeit war, dazu brachte, unsere menschliche Natur anzunehmen; die den Herrn des Lebens dazu veranlasste, den schmerzvollen, schmachvollen und verfluchten Tod am Kreuz auf sich zu nehmen. Es war die Liebe zu unsterblichen Seelen, die diesen gesegneten Jesus zu uns brachte. O dass wir daraus erkennen mögen, wie groß der Wert der Seelen war und ist. Es war diese Liebe, die Jesus zum Bluten, Keuchen und Sterben brachte. Und gewiss müssen Seelen einen unendlichen Wert haben, der das Lamm Gottes dazu brachte, einen so schändlichen Tod zu erleiden.

   Und soll uns das nicht dazu bringen, die Seelen wahrhaftig wertzuschätzen? Sie haben den höchsten Wert; und dies, dies ist die größte Nächstenliebe, wenn sie von der Liebe zu Gott und von der Liebe zu Seelen kommt. Dies wird eine Nächstenliebe sein, deren Befriedigung in alle Ewigkeit anhalten wird. O dass dies euch dazu bringen möge, den Wert der Seelen so hoch zu schätzen, dass ihr keine Gelegenheit mehr versäumt, ihnen Gutes zu tun: Hier ist etwas, für das es sich lohnt, Nächstenliebe zu zeigen, denn sie bleiben in alle Ewigkeit. Darum lasst mich euch inständig bitten, sowohl den Wert unsterblicher Seelen zu bedenken als auch eure Nächstenliebe auf sie auszuweiten, damit ihr durch euren Rat und eure Ermahnung ein Werkzeug in Gottes Hand sein mögt, um Seelen zum Herrn Jesus zu führen.

IV. Nun komme ich zum nächsten Punkt: Viertens, warum diese Nächstenliebe oder die Gnade der Liebe niemals vergeht.

   Und sie vergeht nie, da sie von einem unveränderlichen Gott ausgeht. Wir sollen das nicht so verstehen, dass unsere Nächstenliebe immer dieselbe bleibt. Nein, es mag Zeiten geben, in denen sie weniger wird oder wächst; aber trotzdem versiegt sie nie vollständig: Nein, die Gnade der Liebe bleibt für immer. Es gibt und wird immer Nächstenliebe geben für diejenigen, die von Gott abgewichen und in die Irre gegangen sind. Es kann uns nicht gleichgültig sein, Seelen auf dem Weg, der ins Verderben führt,  16Mt 7,13 zu sehen, ohne unser Äußerstes zu tun, um sie vom Sündigen zurückzubringen und ihnen die schrecklichen Konsequenzen des Bösen aufzuzeigen. Christen können es nicht ertragen zu sehen, dass Seelen, für die Christus gestorben ist, aus Mangel an Wissen zugrunde gehen; und wenn sie sehen, dass ihre Mitmenschen leibliche Not leiden, würden sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihnen zu helfen.

   Die Liebe wird niemals vergehen unter denen, die wahre Liebe zum Herrn Jesus haben und den Wert der Seelen kennen. Sie werden barmherzig gegenüber denen sein, die in Not sind. So seht ihr also, dass wahre Nächstenliebe, wenn sie einem rechten Motiv entspringt, niemals vergeht.

   Nun fahre ich fort, meine Brüder, im letzten Punkt euch alle –hoch und niedrig, reich und arm – zu ermahnen, diese wertvolle und lobenswerte Pflicht der Nächstenliebe auszuüben.

   Es ist nicht das Umherfahren in euren Kutschen, das Sich-Verwöhnen und das Nichtbeachten der Nöte der Mitmenschen, das empfehlenswert und lobenswert ist; sondern euren notleidenden Mitmenschen zu helfen, das ist wertvoll und lobenswert, wo immer es vorgefunden wird. Aber ach! Wie wenige unserer wohlhabenden und eleganten Herren denken an ihre armen Freunde; stattdessen verachten sie sie und schenken ihnen keine Beachtung. Sie geben sich den Vergnügungen des Lebens hin und verbringen lieber ihren Reichtum in Lust und Freuden, während die Armen ringsum nicht einmal als würdig betrachtet werden würden, sie neben die Hunde ihrer Herde zu setzen. 17Hi 30,1 Wenn ihr im Überfluss der Dinge dieser Welt lebt, dann werdet ihr als Gefährten der eleganten und wohlhabenden Gesellschaft angesehen; aber wenn ihr arm seid, dann dürft ihr nicht erwarten, Gunst für euch zu finden, sondern ihr werdet gehasst werden und für Gesellschaft oder Konversation als nicht würdig erachtet werden und wenn ihr im Überfluss der Dinge dieser Welt lebt und gar keine Hilfe benötigt, dann sind viele bereit, euch zu unterstützen. Meine lieben Brüder, ich zweifle nicht daran, dass eure eigene Erfahrung meine Aussagen belegt; ebenso, dass wenn jemand in Not gerät, diejenigen, die versprochen haben, Hilfe zu geben, ganz vergessen, was sie einmal versprochen haben, und ihn verachten, weil die Vorsehung es schlecht mit ihm meint. Aber so handeln die nicht, die zum himmlischen Jerusalem unterwegs sind; auf diese Weise überführen unsere Herzen und Taten die Lippen von den Lügen: Denn wenn wir den Namen Christi bekennen und uns nicht von aller Ungerechtigkeit abwenden, dann sind wir nicht die, die es wert sind, als wahrhafte Christen zu gelten.

   Denn wenn wir keine Nächstenliebe haben, dann sind wir keine Christen: Die Nächstenliebe ist die große Pflicht der Christen; und wo ist unser Christentum, wenn es uns an Nächstenliebe mangelt? Darum lasst mich euch bitten, Nächstenliebe gegenüber euren notleidenden Mitmenschen auszuüben. Wirklich, meine lieben Brüder, dies ist wahrhaft lobenswert, wahrhaft wertvoll; und deshalb bitte ich euch innigst durch die herzliche Barmherzigkeit Christi, 18Lk 1,78 an die armen bedrängten Glieder seines Leibs zu denken; übt, ich bitte euch, übt diese Nächstenliebe aus. Wenn ihr kein Mitgefühl habt, seid ihr keine wahren Jünger des Herrn Jesus Christus. Ich bitte euch demütig, an jene zu denken, die Hilfe brauchen und wirklich mittellos sind, und sie nach euren Möglichkeiten zu unterstützen. Bedenkt, dass je gnädiger die Vorsehung euch behandelt hat, desto eifriger und sorgsamer solltet ihr sein, diejenigen zu unterstützen, die ihr in Not finden mögt. Es ist von größter Bedeutung, was wohlgefällig ist vor euren Mitmenschen und was eurer Pflicht Gott gegenüber entspricht.

   Wenn ihr von hier abberufen werdet, dann werden alle Reichtümer und Pracht zu Ende sein; das Grab wird keinen Unterschied machen; große Besitztümer werden in der anderen Welt keine Bedeutung haben; und wenn ihr die Talente, die Gott in eure Hände gelegt hat, schlecht genutzt habt, wird dies nur eine Verschärfung eurer Verdammnis am großen Tag des Gerichts sein, wenn Gott eure Seelen fordern und Rechenschaft von euch verlangen wird, wie ihr den Überfluss dieser Welt genutzt habt.

V. Zum Schluss lasst mich jeden von euch noch einmal bitten, gemäß den Lebensumständen zu handeln, die Gott euch in seiner reichen und freien Gnade gegeben hat.

    Wenn es euch bewusst wäre, welche weitreichenden Konsequenzen euer Handeln auf diese wohltätige Weise hat, und ihr die Liebe zu den Gliedern seines Leibes als einen Beweis für eure Liebe zu Gott betrachten würdet; dann könntet ihr nicht lieblos in euren Gefühlen bleiben, noch würdet ihr es versäumen, euren bedrängten Mitmenschen zu helfen.

   Denkt darüber nach, wie einfach es für viele von euch ist, durch das Zusammenlegen eurer kleinen Gaben jemandem in Not zu helfen; und wie könnt ihr wissen, ob das Wenige, das ihr gebt, nicht dazu beitragen kann, jemanden aus der Not in blühende Umstände zu bringen? Und dann, wenn in ihnen der wahre Geist eines Christen lebt, könnten sie Gott, dem Urheber, und euch als dem Werkzeug, niemals genug danken, dass ihr in ihrer traurigen Lage ein so großer Freund für sie gewesen seid. Bedenkt auch, wie viel besser euer Bericht am Tag des Gerichts sein wird und welchen Frieden des Gewissens ihr genießen werdet. Wie befriedigend muss der Gedanke sein, die Witwen und die Waisen unterstützt zu haben! Dies wird von unserem Herrn Jesus Christus empfohlen und wurde in allen Zeiten der Kirche praktiziert; und daher, meine Brüder, seid nun auch ihr in der Praxis dieser Pflicht tätig.

   Ich habe dies ausführlicher behandelt, weil unsere Gegner behaupten, wir würden alle moralischen Handlungen ablehnen; aber, gepriesen sei Gott, sie reden gegen uns ohne Grund. Wir schätzen sie hoch; doch sagen wir, dass der Glaube an Christus, die Liebe zu Gott und die Wiedergeburt von unendlich höherem Wert sind; aber ihr könnt keine wahren Christen sein, wenn ihr keine Nächstenliebe gegenüber euren Mitmenschen habt, seien sie Freunde oder Feinde, wenn sie in Not sind. Darum, bemüht euch in dieser Pflicht, wie es der gesegnete Jesus geboten hat: Und wenn ihr wahre Nächstenliebe habt, werdet ihr mit ihm für immer leben und herrschen.

   Nun sei Gott dem Vater, Gott dem Sohn und Gott dem Heiligen Geist alle Ehre und Majestät und Gewalt und Macht vor aller Zeit, jetzt und in alle Ewigkeit! Amen. 19Jud 1,25

Fussnoten

  • 1
    Jak 5,1-3
  • 2
    Jak 5,4-5
  • 3
    Phil 3,19
  • 4
    Mt 25,40
  • 5
    Mt 19,21
  • 6
    Mt 16,26
  • 7
    Ps 69,13
  • 8
    Apg 26,18
  • 9
    Jak 5,20
  • 10
    Sach 3,2
  • 11
    Eph 4,23
  • 12
    2Kor 5,17
  • 13
    Mt 7,13
  • 14
    Gal 4,19
  • 15
    Lk 14,23
  • 16
    Mt 7,13
  • 17
    Hi 30,1
  • 18
    Lk 1,78
  • 19
    Jud 1,25