Von der Pflicht, die Heilige Schrift zu erforschen
Johannes 5,39: „Erforscht die Schriften.“
Als die Sadduzäer zu unserem gesegneten Herrn kamen und ihm die Frage stellten: „Wessen Frau wird die Frau im nächsten Leben sein, die in diesem Leben sieben Ehemänner hatte?“ sagte er zu ihnen: „Ihr irrt, weil ihr die Schriften nicht kennt.“ 1Mt 22,29 Und wenn wir wissen wollen, woher alle Irrtümer, die sich über die Kirche Christi ausgebreitet haben, zuerst entstanden sind, werden wir feststellen, dass sie zu einem großen Teil derselben Quelle entspringen: Der Unkenntnis von Gottes Wort.
Obwohl er der ewige Gott war, machte unser gesegneter Herr aber als Mensch die Schriften zu seiner ständigen Richtschnur und Leitlinie. Und als er vom Gesetzeslehrer gefragt wurde, was das wichtigste Gebot des Gesetzes sei, verwies er ihn deshalb auf seine Bibel als Antwort: „Was liest du?“ 2Lk 10,26 Und als er vom Geist geleitet wurde, vom Teufel versucht zu werden, wehrte er alle seine Angriffe ab mit „Es steht geschrieben.“ 3Mt 4
Das widerlegt ausreichend die, welche der Meinung sind: „Der Geist allein und nicht der Geist durch das Wort soll unsere Handlungen bestimmen.“ Wenn das so stimmen würde, dann hätte sich unser Erlöser, der den Geist ohne Maß 4Joh 3,34 hatte, nicht immer auf das geschriebene Wort berufen brauchen.
Aber wie wenige ahmen das Beispiel Christi nach? Wie viele gibt es, die das Wort Gottes überhaupt nicht betrachten, sondern die heiligen Orakel beiseite werfen als ein veraltetes Buch, passend nur für ungebildete Leute?
Solche irren sich sehr, weil sie die Schriften nicht kennen. Deshalb werde ich:
- Zunächst zeigen, dass es die Pflicht eines jeden ist, sie zu erforschen.
- Und zweitens: Euch einige Leitlinien geben, wie ihr sie mit Gewinn erforschen könnt.
Erstens: Ich werde erläutern, dass es die Pflicht eines jeden Menschen ist, in der Heiligen Schrift zu forschen.
Unter der Heiligen Schrift verstehe ich das Gesetz und die Propheten und jene Bücher, die zu allen Zeiten als kanonisch galten und aus denen das Buch besteht, das im allgemeinen Bibel genannt wird.
Diese werden nachdrücklich als die Heiligen Schriften und an einer Stelle als „Schriften der Wahrheit“ bezeichnet, als ob keine anderen Bücher im Vergleich zu ihnen den Namen „wahre Literatur oder Schriften“ verdient hätten.
Sie beruhen nicht auf irgendeiner persönlichen, privaten Interpretation, Autorität oder Kreativität, sondern heilige Männer in alten Zeiten schrieben sie, als sie dazu vom Heiligen Geist veranlasst wurden.
Die Ursache dafür, dass Gott sich der Menschheit auf diese Weise offenbarte, war unser Fall in Adam und die Notwendigkeit unserer Wiedergeburt in Christus Jesus. Und wenn wir die Schriften so erforschen, wie wir es sollten, finden wir heraus, dass ihre Summe und Substanz, ihr Alpha und Omega, ihr Anfang und Ende darin bestehen, uns zu einer Erkenntnis dieser beiden großen Wahrheiten zu führen.
Alle darin enthaltenen Drohungen, Verheißungen und Gebote, alle darin enthaltenen Ermahnungen und Lehren, alle nach dem jüdischen Gesetz vorgeschriebenen Riten, Zeremonien und Opfer; ja, fast alle historischen Teile der Heiligen Schrift gehen davon aus, dass wir in Adam gefallen sind, und weisen uns entweder auf einen Mittler hin, der kommen wird oder sprechen von ihm, dass er bereits im Fleisch gekommen ist. 51Joh 4,2
Wäre der Mensch in einem Zustand der Unschuld geblieben, hätte er keine äußere Offenbarung benötigt, weil das Gesetz Gottes so deutlich auf die Tafeln seines Herzens geschrieben war. 62 Kor 3,3 Aber nachdem er die verbotene Frucht gegessen hatte, erregte er das Missfallen Gottes und verlor das göttliche Bild und konnte daher ohne eine äußere Offenbarung niemals erahnen, wie Gott mit ihm versöhnt werden würde oder wie er aus dem Elend und der Dunkelheit seiner gefallenen Natur gerettet werden sollte.
Dass es mit diesen Wahrheiten so ist, dazu muss ich euch auf kein anderes Buch verweisen als auf eure eigenen Herzen.
Denn wenn wir keine gefallenen Geschöpfe sind, woher kommt dann die abscheuliche Verderbnis, die täglich in unseren Herzen entsteht? Wir konnten nicht so verdorben aus den Händen unseres Schöpfers kommen, weil er, der das Gute selbst ist, nichts anderes erschaffen konnte, als was ihm selbst gleicht, heilig, gerecht und gut. 7Röm 7,12 Und dass wir von diesen Störungen unserer Natur befreit werden wollen, ist offensichtlich, weil wir in uns selbst eine Abneigung dagegen feststellen, zuzugeben, dass wir so verdorben sind und uns ständig anstrengen, uns anderen gegenüber von ganz anderem Gemüt und Temperament darzustellen, als wir wirklich sind.
Ich appelliere an die Erfahrung des gelehrtesten Widersachers der göttlichen Offenbarung, ob er nicht in sich selbst feststellt, dass er von Natur aus stolz, wütend, rachsüchtig und voller anderer Leidenschaften ist, die im Widerspruch zur Reinheit, Heiligkeit und dem Langmut Gottes stehen. Und ist das nicht ein Beweis dafür, dass er auf die eine oder andere Weise von Gott abgefallen ist? Und ich wage es auch zu fragen, ob er nicht gleichzeitig, während er diese verletzenden Begierden in seinem Herzen vorfindet, danach strebt, liebenswürdig, höflich, freundlich und umgänglich zu wirken. Und ist das nicht ein offensichtlicher Beweis dafür, dass er sich bewusst ist, dass er elend ist und dass er – er weiß nicht wie – davon erlöst oder befreit werden möchte?
Hier schreitet Gott ein mit seinem Wort und eröffnet seinen Augen einen solchen Schauplatz göttlicher Liebe und unendlicher Güte in den heiligen Schriften, dass niemand außer Menschen mit einem so verdorbenen und verworfenen Geist wie unsere modernen Deisten ihre Augen davor verschließen würden.
Was tut Gott in seinem geschriebenen Wort anderes, als dir, oh Mensch, zu zeigen, wie du in die Blindheit, Dunkelheit und das Elend geraten bist, die du spürst und über die du klagst? Und gleichzeitig zeigt er den Weg zu dem, was du wünschst, und wie du davon erlöst werden kannst, indem du an den Sohn seiner Liebe glaubst und ihn nachahmst.
Wie ich bereits gesagt habe, sage ich euch noch einmal, die gesamte göttliche Offenbarung beruht auf diesen beiden Wahrheiten. Sie wurde uns zu keinem anderen Zweck gegeben, als um unser Elend und unser Glück zu zeigen; unseren Fall und unsere Genesung; oder mit einem Wort, auf welche Weise wir in Adam gestorben sind und wie wir in Christus wieder lebendig gemacht werden können. 81Kor 15,22
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Schriften zu erforschen, denn sie sind nichts anderes als die große Urkunde unserer Erlösung, die Offenbarung eines Bundes, den Gott mit den Menschen in Christus geschlossen hat und ein Licht, das uns auf den Weg des Friedens leitet. 9Lk 1,72 Daraus folgt, dass alle verpflichtet sind, sie zu lesen und zu erforschen, weil alle gleichermaßen von Gott abgefallen sind und alle gleichermaßen darauf angewiesen sind, darüber informiert zu werden, wie sie wiederhergestellt und wieder mit ihm vereint werden können.
Wie töricht handeln dann die kritischen Ungläubigen dieser Generation, die ständig entweder nach Zeichen vom Himmel rufen oder nach äußeren Beweisen suchen, um die Wahrheit der göttlichen Offenbarung zu beweisen? Wohingegen das, wonach sie so ernsthaft suchen, nahe, ja, in ihnen selbst liegt. Lasst sie nur einmal ihr eigenes Herz konsultieren, dann können sie gar nicht anders, als zu fühlen, was sie wirklich wollen. Lasst sie nur die lebendigen Orakel Gottes konsultieren, und sie können gar nicht anders als ein Heilmittel für all ihre Bedürfnisse offenbart zu sehen, und dass das geschriebene Wort die Wünsche und Sehnsüchte ihres Herzens genauso exakt beantwortet, wie ein Gesicht einem Gesicht im Wasser antwortet. Wo ist dann der Weise, wo der Schriftgelehrte, wo ist die Stichhaltigkeit der Argumentation der Wortgewaltigen dieser Weltzeit? 101Kor 1,20 Hat Gott sich ihnen nicht so deutlich offenbart, wie es ihr eigenes Herz nur wünschen konnte? Und doch fordern sie ein Zeichen; aber es wird ihnen kein anderes Zeichen gegeben werden. 11Mt 12,39 Denn wenn sie nicht an eine Offenbarung glauben, die in jeder Hinsicht ihren Bedürfnissen vollkommen entspricht, werden sie sich auch nicht davon überzeugen lassen, wenn einer von den Toten zu ihnen ginge. 12Lk 16,30
Aber dieser Diskurs ist nicht so sehr für diejenigen gedacht, die nicht glauben, sondern für diejenigen, die sowohl wissen als auch glauben, dass die Schriften eine Offenbarung enthalten, die von Gott kam, und dass es ihre Pflicht als Hauptbetroffene ist, diese nicht nur zu lesen, sondern auch zu erforschen.
Also fahre ich fort, euch Zweitens ein paar Anleitungen zu geben, wie ihr diese am besten erforschen könnt.
Erstens: Denkt immer an den Zweck, zu dem die Schriften geschrieben wurden, nämlich um uns den Weg der Erlösung zu zeigen, durch Jesus Christus.
„Erforscht die Schriften“, sagt unser gesegneter Herr, „denn sie sind es, die von mir zeugen.“ Sucht deshalb in der Schrift immer nach Christus. Er ist der Schatz, der im Acker verborgen ist, 13Mt 13,44 sowohl im Alten als auch im Neuen Testament. Im Alten findet man ihn unter Prophezeiungen, Bildern, Opfern und Schatten; im Neuen, offenbart im Fleisch, 141Tim 3,16 als Priester um zur Sühne für unsere Sünden zu werden und als Prophet um den gesamten Willen seines himmlischen Vaters zu offenbaren.
Behaltet also Christus immer im Blick, wenn ihr das Wort Gottes lest, und das wird euch zum Messias führen wie der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, 15Mt 2,9 und als Schlüssel zu allem dienen, was im Dunkeln liegt, und euch die Weisheit und Schätze aller Geheimnisse des Reiches Gottes aufschließen. 16Kol 2,3
Zweitens: Erforscht die Schriften mit einer demütigen, kindlichen Gesinnung.
Denn wer sie nicht mit dieser Einstellung liest, wird auf keinen Fall in die Erkenntnis der Dinge eintreten, die darin enthalten sind. Denn Gott verbirgt ihren Sinn vor denen, die sich selbst für weise und klug halten und offenbart sie nur Unmündigen in Christus, 17Mt 11,25 die denken, sie wüssten noch gar nichts so, wie sie es wissen sollten; die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten 18Mt 5,6 und demütig danach verlangen, mit der unverfälschten Milch des Wortes genährt zu werden, damit sie durch sie heranwachsen können. 191Petr 2,6
Stellt euch deshalb vor, wenn ihr in den heiligen Schriften forscht, besonders wenn ihr das Neue Testament lest, dass ihr mit Maria zu Füßen des heiligen Jesus sitzt; und seid ebenso bereit zu lernen, was Gott euch lehren wird, wie Samuel es war, als er sagte: „Rede, denn dein Knecht hört.“ 201 Sam 3,10
Oh, dass die Ungläubigen alle Absichten zerstören und alles Hohe, das sich erhebt gegen die Erkenntnis Gottes! 211Kor 10,5 Oh, dass sie wie neugeborene Kinder den Wunsch hätten, mit der unverfälschten Milch des Wortes genährt zu werden! Dann würden sie sich nicht mehr über die göttliche Offenbarung lustig machen und auch nicht die Bibel mit der gleichen Absicht lesen, mit der die Philister unseren Simson herbeiriefen, um sich auf seine Kosten zu amüsieren; 22Ri 16,25 sondern sie würden das göttliche Bild und die Inschrift auf jeder Zeile sehen. Sie würden dadurch hören, wie Gott zu ihren Seelen spricht und dadurch in der Erkenntnis und Furcht vor dem Urheber gestärkt werden.
Drittens: Erforscht die Schriften mit der aufrichtigen Absicht, das Gelesene in die Praxis umzusetzen.
Ein Verlangen danach, den Willen Gottes zu tun, ist der einzige Weg, ihn zu erkennen; wenn jemand meinen Willen tun will, sagt Jesus Christus, „wird er erkennen, ob diese Lehre von Gott ist, oder ob ich aus mir selbst rede.“ 23Joh 7,17 An anderer Stelle spricht er auch zu seinen Jüngern: „Euch (die willig sind, ihre Pflicht auszuüben) ist es gegeben, das Geheimnis des Reiches Gottes zu erkennen, den Außenstehenden (die nur Kritik gegen meine Lehre erheben wollen) aber wird alles nur in Gleichnissen zuteil, damit sie immerfort sehen und doch nicht wahrnehmen, und immerfort hören und doch kein Verständnis haben.“ 24Mk 4,12
So ist es nur gerecht bei Gott, 252Thess 1,6 ihnen einen starken Irrwahn zu senden, damit sie der Lüge Glauben schenken, 262Thess 2,11 und das Wissen über ihn selbst vor allen zu verbergen, die ihn nicht von ganzem Herzen suchen.
Jesus Christus ist derselbe gestern und heute 27Heb 13,8 für alle, die aus seinem Wort wissen wollen, wer er ist, damit sie daran glauben und danach leben können; und ihnen wird er sich so deutlich offenbaren, wie er es gegenüber der Frau von Samaria getan hat, als er sagte: „Ich bin’s, der mit dir redet.“ 28Joh 4,26 oder gegenüber dem Mann, der blind geboren wurde und den die Juden vertrieben hatten um seines Namens willen: „Der mit dir redet, der ist es.“ 29Joh 9,37 Denen aber, die sein Wort konsultieren weder mit dem Wunsch, ihn zu kennen noch seine Gebote zu halten, sondern nur zu ihrer Unterhaltung oder um sich über die Einfachheit der Art und Weise, in der er offenbart wird, lustig zu machen, zu denen sage ich: Er wird sich ihnen nie offenbaren, auch wenn sie bis in alle Ewigkeit in den Schriften forschen sollten. So wie er nie sagte, ob er der Messias sei oder nicht zu denjenigen, die ihm diese Frage entweder aus Neugier stellten oder um zu wissen, wofür sie ihn beschuldigen könnten.
Viertens: Um die heiligen Schriften noch effektiver zu erforschen, wendet alles, was ihr lest, auf eure eigenen Herzen an.
Denn alles, was im Buch Gottes geschrieben steht, ist für uns zum Lernen aufgeschrieben. Und was Christus zu ihnen damals gesagt hat, das müssen wir auch so betrachten, wie wenn es zu uns gesagt wird, weil die heiligen Schriften nichts anderes als eine Offenbarung Gottes sind, wie der gefallene Mensch durch Jesus Christus wiederhergestellt werden soll; alle Gebote, Drohungen und Verheißungen darin gehören uns und unseren Kindern genauso wie denen, denen sie direkt mitgeteilt wurden.
So fügt der Apostel, wenn er uns sagt, dass er im Glauben an den Sohn Gottes lebte, hinzu: „Der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben hat.“ 30Gal 2,20 Es ist diese Anwendung von Jesu Christi auf unsere Herzen, die seine Erlösung für jeden einzelnen von uns wirksam macht.
Und es ist diese Anwendung von allen lehrenden und historischen Teilen der Heiligen Schrift, die sie für uns nützlich macht, weil sie so gestaltet wurde, nützlich zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk ausgerüstet. 312Tim 3,16
Ich wage es, die Erfahrung aller geistlichen Leser der Heiligen Schrift anzusprechen, ob sie, wenn sie das Wort Gottes auf diese Weise konsultierten, nicht immer und zu jeder Zeit so klar angewiesen wurden, wie sie handeln sollten, als ob sie die Urim und Thummim befragt hätten, die auf der Brust des Hohepriesters lagen 322Mo 28,30 oder nicht. Denn das ist die Art und Weise wie sich Gott den Menschen jetzt offenbart: Nicht, indem er neue Offenbarungen gibt, sondern indem er allgemeine Dinge, die bereits offenbart wurden, auf das Herz jedes aufrichtigen Lesers anwendet.
Und das beantwortet übrigens einen Einwand derjenigen, die sagen: „Das Wort Gottes ist keine perfekte Handlungsanweisung, weil es uns in bestimmten Fällen nicht anleiten kann, wie wir handeln oder entscheiden sollen oder wohin wir gehen sollen, wenn wir im Zweifel sind und deshalb soll der Geist und nicht das Wort unsere Handlungsanweisung sein.“
Aber ich bestreite das und bekräftige im Gegenteil, dass Gott zu jeder Zeit, unter allen Umständen und an jedem Ort, egal wie unbedeutend, egal wie speziell, wenn wir eifrig den Beistand seines Heiligen Geistes suchen, allgemeine Dinge auf unsere Herzen anwenden wird und uns dadurch, um die Worte des heiligen Jesus zu gebrauchen, in die ganze Wahrheit leiten wird 33Joh 16,13 und uns die besondere Unterstützung geben wird, die wir brauchen. Aber das führt mich zur fünften Anweisung, wie man die Schriften mit Gewinn erforscht:
Fünftens: Bemüht euch, den Geist zu erlangen, durch den sie geschrieben wurden.
Denn der natürliche Mensch erkennt nicht die Worte vom Geist Gottes, denn sie müssen geistlich beurteilt werden; 341Kor 2,14 die Worte, die Christus geredet hat, die sind Geist und sind Leben 35Joh 6,63 und der natürliche Mensch kann ihren wahren Sinn und ihre wahre Bedeutung ebenso wenig verstehen, wie eine Person, die nie eine andere Sprache gelernt hat, eine andere Person nicht verstehen kann, die eine Fremdsprache spricht. Daher wurden die heiligen Schriften von manchen nicht zu Unrecht mit der Wolke verglichen, die vor den Israeliten herzog; sie sind dunkel und für den natürlichen Menschen schwer zu verstehen, so wie die Wolke den Ägyptern finster erschien; aber sie sind Licht, sie sind in der Tat Leben für die Christen, so wie dieselbe Wolke, die dem Pharao und seinem Haus finster erschien, für das Israel Gottes hell leuchtend und ganz und gar herrlich erschien. 362Mo 14,20
Es war der Mangel an Unterstützung dieses Geistes, der dazu führte, dass Nikodemus, ein Lehrer Israels und ein Oberster der Juden, in der Lehre der Wiedergeburt so völlig unwissend war: Weil er nur ein natürlicher Mensch war, konnte er nicht verstehen, was es damit auf sich haben sollte; es war der Mangel an diesem Geist, der dazu führte, dass die Jünger unseres Erlösers, obwohl er so häufig mit ihnen sprach, täglich das Wesen der Lehren, die er verkündete, falsch verstanden. Und deswegen, weil die natürliche Decke auf ihrem Herzen 372Kor 3,15-16 nicht weggenommen wird, sehen so viele, die jetzt vorgeben, in der heiligen Schrift zu forschen, doch nicht weiter als ihre bloßen Buchstaben, und bleiben weiter völlige Fremde gegenüber der geistlichen Bedeutung, die in jedem Gleichnis formuliert und in fast allen Geboten des Buches Gottes enthalten ist.
Wie sollte es anders sein, denn da Gott ein Geist ist, 382Kor 3,17 kann er sich den Herzen der Menschen nur auf geistliche Weise mitteilen; und wenn wir folglich Fremde für seinen Geist sind, müssen wir auch weiterhin Fremde für sein Wort bleiben, denn es ist ganz wie er selbst, geistlich. Strebt daher ernsthaft danach, diesen gesegneten Geist zu erlangen; andernfalls wird euer Verständnis nie geöffnet, um die Schriften richtig zu verstehen: Und denkt daran, Gebet ist eines der unmittelbarsten Mittel, um diesen Heiligen Geist zu erlangen.
Sechstens: Möchte ich euch deshalb raten, bevor ihr die heiligen Schriften lest, zu beten, dass Christus gemäß seiner Verheißung seinen Geist sendet, um euch in die ganze Wahrheit zu leiten. 39Joh 15,26
Streut kurze Stoßgebete ein, während ihr am Lesen seid; betet, wenn möglich, über jedes Wort und jeden Vers. Und wenn ihr das Buch schließt, fleht Gott inständig an, dass die Worte, die ihr gelesen habt, sich innerlich in eure Herzen einprägen und in euch die Früchte eines guten Lebens hervorbringen.
Macht das und ihr werdet mit heiliger Gewalt den Heiligen Geist Gottes in eure Herzen herabziehen. Ihr werdet seinen gnädigen Einfluss erfahren und spüren, wie er eure Seelen durch das Wort Gottes erleuchtet, belebt und entflammt. Dann werdet ihr nicht nur lesen, sondern markieren, lernen und innerlich verdauen, was ihr lest. Und das Wort Gottes wird tatsächlich Speis und Trank für eure Seelen sein.
Dann werdet ihr sein wie Apollos, mächtig in den Schriften; 40Apg 18,24 werdet Schriftgelehrte ausgebildet im Königreich Gottes, und holt aus dem guten Schatz eurer Herzen 41Lk 6,45 Dinge aus dem Alten und Neuen Testament hervor, um damit alle zu unterhalten, mit denen ihr ein Gespräch führt.
Siebtens: Noch eine letzte Anweisung: Lest ständig die Heilige Schrift.
Oder, um den Ausdruck unseres Erlösers im Text zu verwenden: „Forscht in den Schriften“; grabt darin wie nach verborgenen Schätzen; denn hier ist eine offensichtliche Anspielung auf diejenigen, die in Minen graben; und unser Erlöser lehrt uns dabei, dass wir uns genauso viel Mühe dabei geben müssen, sein Wort ständig zu lesen, wie diejenigen, die nach Gold und Silber graben, wenn wir dadurch weise werden wollen. Die heiligen Schriften enthalten die tiefen Dinge Gottes und können daher nie ausreichend erforscht werden, wenn man sie nachlässig, oberflächlich und flüchtig liest, sondern nur durch fleißige, aufmerksame und demütige Anwendung.
Der Psalmist macht es zum Merkmal eines guten Menschen, dass er „über Gottes Gesetz nachsinnt Tag und Nacht.“ 42Ps 1,2 Und „dieses Buch des Gesetzes“ (spricht Gott zu Josua) soll nicht von deinem Mund weichen, sondern forsche darin Tag und Nacht, damit du darauf achtest, alles zu befolgen, was darin geschrieben steht; 43Jos 1,8 denn dann wirst du Gelingen haben auf deinen Wegen, und dann wirst du weise handeln.“ 44Ps 1,2 Sucht deshalb nicht nur andächtig, sondern täglich in den heiligen Schriften, denn in ihnen finden sich die Worte des ewigen Lebens. 45Joh 6,68 Wacht täglich an der Pforte der Weisheit, 46Spr 8,34 und dann, und erst dann, wird sie euch ihre himmlischen Schätze zeigen und offenlegen. Ihr Reichen habt keine Entschuldigung, wenn ihr es nicht tut; und ihr, die ihr arm seid, solltet aufpassen und die wenige Zeit, die ihr habt, nutzen: Denn nach den Schriften wirst du gerechtfertigt, und nach den Schriften wirst du verurteilt werden! 47Mt 12,37
Aber vielleicht habt ihr keinen Sinn für dieses verachtete Buch; vielleicht entsprechen Theaterstücke, Romanzen und Bücher der leichten Unterhaltung besser eurem Geschmack. Wenn das bei euch der Fall ist, gebt mir die Erlaubnis, euch zu sagen, dass euer Geschmack verdorben ist und wenn er nicht durch den Geist und das Wort Gottes korrigiert wird, werdet ihr niemals in sein himmlisches Königreich eintreten. Denn wenn ihr euch nicht hier an Gott erfreut, wie werdet ihr es schaffen, im Jenseits bei ihm zu wohnen? Ist es dann eine Sünde, werdet ihr sagen, nutzlose, dreiste Bücher zu lesen? Ich antworte: Ja. Und zwar aus dem gleichen Grund, wie es eine Sünde ist, sich nutzlosen Gesprächen hinzugeben, weil beides sofort dazu neigt, den Geist zu betrüben und auszulöschen, durch den allein wir versiegelt werden können für den Tag der Erlösung. 48Eph 4,30 Ihr könntet antworten: Woher sollen wir das wissen? Dann setzt das im Text enthaltene Gebot in die Praxis um. Erforscht die Schriften auf die empfohlene Art und Weise, und dann werdet ihr von der Gefahr, Sündhaftigkeit und Unzulänglichkeit überzeugt sein, etwas anderes als das Buch Gottes oder solche Texte, die im gleichen Geist geschrieben wurden, zu lesen.
Ihr werdet dann sagen: Als ich ein Kind war und die Vortrefflichkeit des Wortes Gottes nicht kannte, habe ich das gelesen, was die Welt als harmlose Bücher bezeichnet, wie es andere Kinder in der Erkenntnis, obwohl alt an Jahren, getan haben und es immer noch tun; aber jetzt, wo ich das gute Wort des Lebens geschmeckt habe 49Heb 6,4 und zu einer vollkommeneren Erkenntnis von Christus Jesus, meinem Herrn, gelangt bin, tat ich diese kindischen, unbedeutenden Dinge weg 501Kor 13,11 und bin entschlossen, keine anderen Bücher mehr zu lesen, außer denen, die mich zu einer Erkenntnis von mir selbst und von Christus Jesus führen.
Deshalb erforscht die Schriften, meine lieben Brüder; schmeckt und seht, wie freundlich das Wort Gottes ist, 51Ps 34,8 und dann werden ihr dieses himmlische Manna, dieses Brot der Engel, 52Ps 78,25 niemals verlassen, um euch von trockenen Schoten zu ernähren, 53Lk 15,18 diesem leichten Brot, diesen unbedeutenden, sündigen Texten, an denen Menschen mit falschem Geschmack Freude haben. Nein, dann werdet ihr so eine schlechte Unterhaltung verachten und darüber erröten, dass ihr selbst einmal daran Gefallen gefunden habt. Das Wort Gottes wird euch dann süßer sein als Honig und Wabenhonig und begehrenswerter als Gold und Silber. 54Ps 19,11 Wenn ihr es lest, werden eure Seelen sozusagen mit Mark und Fett gesättigt 55Ps 63,6 und eure Herzen werden unmerklich in den Geist seines gesegneten Autors geformt. Kurz gesagt, ihr werdet hier von Gottes Weisheit geleitet und vom Licht seines göttlichen Wortes in die Herrlichkeit im Jenseits geführt.
Fussnoten
- 1Mt 22,29
- 2Lk 10,26
- 3Mt 4
- 4Joh 3,34
- 51Joh 4,2
- 62 Kor 3,3
- 7Röm 7,12
- 81Kor 15,22
- 9Lk 1,72
- 101Kor 1,20
- 11Mt 12,39
- 12Lk 16,30
- 13Mt 13,44
- 141Tim 3,16
- 15Mt 2,9
- 16Kol 2,3
- 17Mt 11,25
- 18Mt 5,6
- 191Petr 2,6
- 201 Sam 3,10
- 211Kor 10,5
- 22Ri 16,25
- 23Joh 7,17
- 24Mk 4,12
- 252Thess 1,6
- 262Thess 2,11
- 27Heb 13,8
- 28Joh 4,26
- 29Joh 9,37
- 30Gal 2,20
- 312Tim 3,16
- 322Mo 28,30
- 33Joh 16,13
- 341Kor 2,14
- 35Joh 6,63
- 362Mo 14,20
- 372Kor 3,15-16
- 382Kor 3,17
- 39Joh 15,26
- 40Apg 18,24
- 41Lk 6,45
- 42Ps 1,2
- 43Jos 1,8
- 44Ps 1,2
- 45Joh 6,68
- 46Spr 8,34
- 47Mt 12,37
- 48Eph 4,30
- 49Heb 6,4
- 501Kor 13,11
- 51Ps 34,8
- 52Ps 78,25
- 53Lk 15,18
- 54Ps 19,11
- 55Ps 63,6