Fürbitte, die Pflicht aller Christen
1. Thessalonicher 5,25: „Brüder, betet für uns!“
Wenn wir uns fragen, warum unter Christen so wenig Liebe zu finden ist, warum das eigentliche Kennzeichen, woran jedermann erkennen sollte, dass wir Jünger des heiligen Jesus sind, 1Joh 13,35 fast aus der christlichen Welt verbannt ist, dann werden wir feststellen, dass dies in hohem Maße auf die Vernachlässigung oder nur oberflächliche Ausführung jenes hervorragenden Teils des Gebets zurückzuführen ist: Fürbitte (oder: um göttliche Gnade und Barmherzigkeit für andere zu flehen).
Einige vergessen diese Pflicht, für andere zu beten, weil sie sich selbst selten daran erinnern, für sich selbst zu beten: Und selbst diejenigen, die regelmäßig zu ihrem Vater im Himmel beten, sind oft so selbstbezogen in ihren Bitten vor dem Thron der Gnade, dass sie ihre Petitionen für das Wohlergehen ihrer Mitchristen nicht so ausweiten wie sie es sollten; und dadurch erreichen sie nicht jene christliche Nächstenliebe, jene ungeheuchelte Bruderliebe, 21Petr 1,22 zu welcher ihr heiliger Stand sie verpflichtet, dass sie danach streben sollen und ohne die, selbst wenn sie all ihre Habe zur Speisung der Armen austeilten, und sogar ihren Leib hingäben, um verbrannt zu werden, es ihnen dennoch nichts nützen würde. 31Kor 13,3
Deswegen werde ich es anhand der Worte des Textes (obwohl ursprünglich enger gefasst) unternehmen,
- Erstens aufzuzeigen, dass es die Pflicht eines jeden Christen ist, für andere genauso zu beten wie für sich selbst.
- Zweitens, aufzuzeigen, für wen wir beten sollen und auf welche Weise wir das tun sollen. Und
- Drittens werde ich einige Motive anbieten, um alle Christen dazu anzuregen, sich in dieser großen Pflicht der Fürbitte reichlich zu betätigen.
I. Erstens werde ich es unternehmen, aufzuzeigen, dass es die Pflicht eines jeden Christen ist, für andere genauso zu beten wie für sich selbst.
Das Gebet ist eine Pflicht, die auf der natürlichen Religion beruht; selbst die Heiden haben es nie vernachlässigt, obwohl viele christliche Heiden unter uns es tun. Und es ist so wesentlich für das Christentum, dass man vernünftigerweise es genauso erwarten könnte, einen lebenden Menschen ohne Atem zu finden, wie einen wahren Christen ohne den Geist des Gebets und des Flehens. Deswegen sagte der Herr, kaum war Paulus bekehrt: „Siehe, er betet.“ 4Apg 9,11 Und so wird es mit jedem Kind Gottes sein, sobald es zu einem solchen geworden ist: Das Gebet wird zu Recht der natürliche Schrei der neu geborenen Seele genannt.
Denn im Herzen eines jeden wahren Gläubigen gibt es eine himmlische Tendenz, eine göttliche Anziehungskraft, die ihn so spürbar anzieht, sich mit Gott unterhalten zu wollen, wie der Magnet die Nadel anzieht.
Ein tiefes Bewusstsein ihrer eigenen Schwäche und der Fülle des Christus; eine starke Überzeugung von ihrer natürlichen Verderbtheit und der Notwendigkeit der erneuernden Gnade wird sie Tag und Nacht zu ihrem allmächtigen Erlöser rufen lassen, dass das göttliche Bild, das sie in Adam verloren haben, durch seine allmächtige Fürsprache und das heiligende Wirken seines gesegneten Geistes in ihren Seelen und Leibern begonnen, fortgeführt und vollständig vollendet wird.
So ernst, so beharrlich sind alle aufrichtigen Christen, wenn es darum geht, für sich selbst zu beten; aber weil sie kein so lebendiges, anhaltendes und tiefes Bewusstsein für die Nöte ihrer christlichen Brüder haben, sind sie andererseits in ihren Gebeten für diese meist zu nachlässig und mangelhaft. Wenn jedoch die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen 5Röm 5,5 wäre, und wenn wir unsere Nächsten so lieben würden, wie der Sohn Gottes, unser Erlöser, uns geliebt hat, dann könnten wir gar nicht anders, als gemäß seinem Gebot und Beispiel ebenso beharrlich für ihr geistliches und zeitliches Wohlergehen zu bitten wie für unser eigenes; und genauso ernsthaft uns danach sehnen und darauf hinarbeiten, dass andere an den Segnungen des Todes und Leidens Jesu Christi teilhaben, so wie wir selbst.
Lasst niemanden denken, dass dies ein ungewöhnlicher Grad an Nächstenliebe sei; ein so hohes Level der Vollkommenheit, dass nicht jeder es erreichen kann. Denn wenn wir alle geboten sind „unseren Nächsten zu lieben (das heißt jeden Menschen), wie uns selbst;“ 6Mt 22,39 ja „unser Leben für die Brüder hinzugeben,“ 71Joh 3,16 dann ist es die Pflicht aller, für ihre Nächsten ebenso zu beten wie für sich selbst und ihnen jederzeit durch alle möglichen Handlungen und Ausdrucksformen der Liebe und Zuneigung zu zeigen, dass sie dazu bereit sind, sogar ihr Leben für sie hinzugeben, wenn es Gott jemals wohlgefallen sollte, sie dazu zu berufen.
Unser gesegneter Erlöser, der uns ein Vorbild hinterlassen hat, damit wir seinen Fußstapfen nachfolgen 81Petr 2,21 in allem anderen, hat dies auch ganz besonders hierin getan: Denn in diesem göttlichen, vollkommenen und unnachahmlichen Gebet (aufgezeichnet in Johannes 17), das er kurz vor seiner Passion gesprochen hat, finden wir nur wenige Bitten für sich selbst, aber viele für das Wohlergehen seiner Jünger. Und in jener vollkommenen Form, welche es ihm wohlgefallen hat, uns vorzuschreiben, lehrt er uns zu sagen: Nicht „mein“, sondern „unser Vater,“ 9Mt 6,9 um uns daran zu erinnern, dass wir, wann immer wir uns dem Thron der Gnade nähern, nicht nur für uns selbst, sondern für alle unsere Brüder in Christus beten sollten.
Fürbitte ist somit also zweifellos eine Pflicht für alle Christen.
II. Als nächstes wollen wir überlegen, für wen wir Fürbitte leisten sollen und wie diese Pflicht auszuführen ist.
1. Unsere Fürbitte muss universell sein. „Ich ermahne nun, dass vor allen Dingen Gebete, Flehen und Fürbitten für alle Menschen getan werden.“ 101Tim 2,1 Denn weil Gottes Barmherzigkeit über all seinen Werken ist, weil Jesus Christus starb, um ein Volk aus allen Nationen und Sprachen zu erlösen, so sollten wir beten, „dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ 111Tim 2,4 In der Heiligen Schrift werden viele kostbare Verheißungen gemacht, dass das Evangelium auf der ganzen Welt verkündet werden wird, dass „die Erde voll werden wird mit der Erkenntnis des Herrn, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken.“ 12Hab 2,14 Daher ist es unsere Pflicht, unsere Bitten nicht nur auf unsere eigene Nation zu beschränken, sondern zu beten, dass all jene Nationen, die jetzt in Finsternis und Todesschatten sitzen, 13Lk 1,79 das herrliche Evangelium ebenso empfangen mögen wie wir. Aber das braucht euch niemand zu lehren, da ihr selbst von Gott und Jesus Christus persönlich gelehrt worden seid, zu beten, dass „sein Reich komme;“ 14Mt 6,10 und ein Teil der Bedeutung dieser Bitte ist, dass „man Gottes Wege auf Erden erkenne und sein rettendes Heil unter allen Nationen.“ 15Ps 67,3
2. Als nächstes nach dem Gebet für alle Menschen sollten wir gemäß der Regel des Apostels Paulus für Könige beten; ganz besonders für unseren derzeitigen Souverän König George und alle, die unter ihm in Autorität gestellt sind: „Damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit.“ 161Tim 2,2 Denn, wenn wir in Betracht ziehen, wie schwer die Last der Regierung ist und wie sehr das Wohlergehen eines Volkes von dem Eifer und der gottesfürchtigen Lebensführung von denen abhängt, die über sie regieren; wenn wir uns die vielen Gefahren und Schwierigkeiten vor Augen führen, denen Regierende durch ihre Stellung ausgesetzt sind, und die ständigen Versuchungen zu Luxus und Ausschweifung, unter denen sie stehen; dann werden wir nicht nur Mitleid mit ihnen haben, sondern auch für sie beten, dass er, der Esther, David und Josia „von der Welt unbefleckt“ 17Jak 1,27 bewahrte, inmitten der Pracht eines Hofes, und ihren Plänen Erfolg bescherte, auch sie heilig und untadelig bewahre und all ihr Tun segne.
3. Sollt ihr in besonderer Weise für diejenigen beten, die „der Heilige Geist zu Aufsehern über euch eingesetzt hat.“ 18Apg 20,28 Das ist es, worum Paulus die Gemeinden bittet, an die er schreibt, wieder und immer wieder: Er sagt in unserem Vers: „Brüder, betet für uns;“ 191Thess 5,25 und nochmal in seinem Brief an die Epheser: „Betet allezeit mit allem Bitten und Flehen; und auch für mich, dass mir das Wort gegeben werde, wenn ich meinen Mund auftue, freimütig das Geheimnis des Evangeliums zu verkünden.“ 20Eph 6,18-19 Und an einer anderen Stelle, um seine Ernsthaftigkeit bezüglich dieser Bitte auszudrücken und die große Bedeutung von ihren Gebeten für ihn, bittet er die Gemeinde: „Kämpft (oder wie es das originale Wort ausdrückt, „ringt in Qualen“) mit mir in den Gebeten zu Gott für mich.“ 21Röm 15,30 Und sicherlich, wenn der große Apostel Paulus, dieses auserwählte Werkzeug, 22Apg 9,15 dieser Liebling des Himmels, die allerbeharrlichsten Gebete seiner christlichen Bekehrten benötigte, um wie viel mehr haben dann die gewöhnlichen Diener des Evangeliums die Fürbitte ihrer jeweiligen Herden nötig.
Und ich kann nicht anders als auf diesen Aspekt eurer Pflicht besonders hinzuweisen, weil es eine Sache von so großer Wichtigkeit ist: Denn ohne Zweifel wird vielen oft viel Gutes vorenthalten, aus dem Grund, dass sie es versäumen, für ihre Prediger zu beten, und dass sie es erhalten haben würden, wenn sie für sie gebetet hätten, wie sie sollten. Ganz zu schweigen davon, dass die Menschen sich oft über den Mangel an fleißigen und gläubigen Pastoren beklagen. Aber wie verdienen die sich gute Pastoren, die nicht ernstlich zu Gott für solche beten? Wenn wir nicht im Gebet den Herrn der Ernte bitten, kann es dann erwartet werden, dass er Arbeiter in seine Ernte sendet? 23Mt 9,38
Und außerdem, was für eine Undankbarkeit ist das, nicht für eure Geistlichen zu beten! Sollen sie wachen und im Wort und in der Lehre für euch und eure Erlösung arbeiten, und ihr sollt dann nicht im Gegenzug für sie beten? Wenn euch jemand Wohltaten für euren Körper erweist, haltet ihr es für richtig, angemessen und eure Pflicht, für diese Person zu beten; und sollten nicht diejenigen in euren Gebeten bedacht werden, die täglich eure Seelen nähren und stärken? Fügt dem hinzu, dass das Gebet für eure Geistlichen ein deutlicher Beweis eures Glaubens ist, dass „Paulus pflanzt und Apollos begießt, aber es Gott allein ist, der das Wachstum gibt.“ 241Kor 3,6 Und ihr werdet auch feststellen, dass es das beste Mittel ist, um euer eigenes Wohlergehen zu fördern; denn Gott kann als Antwort auf eure Gebete ihnen eine doppelte Portion seines Heiligen Geistes schenken, wodurch sie befähigt werden, euch größere Erkenntnis in geistlichen Dingen zu vermitteln und das Wort der Wahrheit noch geschickter zuzuteilen.
Würden die Menschen diese Anweisung beständig befolgen und während ihre Geistlichen in ihrem Namen zu Gott beten, ihn demütig darum bitten, dass er all ihre Bitten erfülle; oder wenn diese in Gottes Namen zu ihnen sprechen, dafür beten, dass der Heilige Geist auf alle fällt, die das Wort hören: Wir würden eine deutlichere positive Wirkung ihrer Lehre sehen und eine größere gegenseitige Liebe zwischen Geistlichen und ihren Leuten erleben. Denn die Hände der Geistlichen würden dann durch die Fürbitten der Leute gestützt, 252Mo 17,12 und die Leute würde es nie wagen, diejenigen zu verunglimpfen oder zu beleidigen, die der Gegenstand ihrer ständigen Gebete sind.
4. Als nächstes nach unseren Geistlichen beanspruchen unsere Freunde einen Platz in unseren Fürbitten; dabei sollten wir uns jedoch nicht damit zufriedengeben, in allgemeinen Begriffen für sie zu beten, sondern unsere Gebete ihren besonderen Umständen anpassen. Als Miriam von Gott mit Aussatz geschlagen wurde, schrie Mose: „Ach Gott, heile sie!“ 264Mo 12,13 Und als der Vorsteher zu Jesus Christus kam, um für sein Kind zu bitten, sagte er: „Herr, meine kleine Tochter liegt im Sterben; ich bitte dich, komm und heile sie!“ 27Mk 5,23 Ebenso sollten wir, wenn unsere Freunde sich in bedrängten Umständen befinden, bemüht sein, mit besonderer Rücksicht auf diese Umstände für sie zu beten. Zum Beispiel: Ist ein Freund krank? Wir sollten beten, dass es, wenn es Gottes Wohlgefallen ist, nicht zum Tode sei; ist es jedoch anders, sollten wir bitten, dass Gott ihm die Gnade gibt, seine Heimsuchung anzunehmen, damit er mit ihm im ewigen Leben wohnen möge, nachdem dieses schmerzvolle Leben geendet hat. Ist ein Freund in Zweifel über eine wichtige Angelegenheit? Wir sollten seine Sache vor Gott bringen, 284Mo 27,5 wie Mose es mit den Töchtern Zelophchads getan hat, und beten, dass Gottes Heiliger Geist ihn in alle Wahrheit leite 29Joh 16,13 und ihm jegliche notwendige Führung zur rechten Zeit gebe. Ist er in Not? Wir sollten beten, dass sein Glaube nicht aufhöre 30Lk 22,31 und dass er zur rechten Zeit durch Gottes Hilfe Erleichterung finde. Und in allen anderen Fällen sollten wir nicht nur im Allgemeinen für unsere Freunde beten, sondern unsere Bitten an ihre besonderen Leiden und Prüfungen anpassen; denn andernfalls könnten wir vielleicht niemals für die Dinge bitten, die unsere Freunde am meisten benötigen.
Es muss zugegeben werden, dass ein solches Vorgehen einige öfter dazu zwingen wird, von den Formen abzuweichen, die sie für gewöhnlich verwenden; aber wenn wir uns daran gewöhnen und ein tiefes Bewusstsein dafür haben, um was wir bitten, werden selbst die Ungebildetsten die richtigen Worte finden, um sich auszudrücken.
Wir finden viele edle Beispiele in der Heiligen Schrift für den Erfolg dieser Art von gezielter Fürbitte; aber keines ist bemerkenswerter als das des Dieners Abrahams im Buch Genesis, der, als er ausgesandt wurde, um eine Frau für Isaak zu suchen, auf eine äußerst spezifische Weise für ihn betete. Und die Fortsetzung der Geschichte informiert uns darüber, wie bemerkenswert sein Gebet erhört wurde. Und würden Christen heutzutage auf die gleiche besondere Weise und mit dem gleichen Glauben für ihre Freunde beten, wie Abrahams Diener es für seinen Herrn tat, so würden sie zweifellos in vielen Fällen ebenso sichtbare Antworten erhalten und ebenso großen Grund haben, Gott dafür zu danken, wie er es hatte.
5. Genauso wie wir so für unsere Freunde Fürbitte leisten sollen, so müssen wir auch für unsere Feinde beten. „Segnet die, die euch fluchen,“ sagt Jesus Christus, „und betet für die, die euch beleidigen und verfolgen.“ 31Mt 5,44 Und diese Gebote bekräftigte er auf die stärkste Weise durch sein eigenes Beispiel: Selbst in den Qualen und Schmerzen des Todes betete er sogar für seine Mörder: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ 32Lk 23,34 Dies, das muss zugegeben werden, ist eine schwierige Pflicht, aber nicht unüberwindbar für diejenigen, die sich von den Dingen dieses gegenwärtigen Lebens losgesagt haben 332Kor 4,2 (wovon alle Feindschaften hervorgehen: Aus einer unmäßigen Liebe zu eben diesen), und die, da sie die schrecklichen „Wehe“ kennen, die über jene verhängt werden, die die Kleinen Christi angreifen, aus wahrhaftem Mitleid und einem Bewusstsein ihrer Gefahr für jene beten können, durch die das Ärgernis kommt. 34Mt 18,6-7
6. Schließlich und um diesen Punkt damit abzuschließen, sollten wir für alle beten, die in irgendeiner Weise in Bedrängnissen sind, sei es in Bezug auf Geist, Leib oder Besitz; für alle, die sich unsere Gebete wünschen und sie benötigen, und für alle, die nicht für sich selbst beten.
Und oh, dass alle, die mich hören, sich jeden Tag etwas Zeit für die ordnungsgemäße Erfüllung dieser so notwendigen Pflicht nehmen würden!
Um dies zu fördern, möchte ich als nächstes:
III. Die Vorteile aufzeigen und einige Überlegungen anbieten, um euch zur Praxis der täglichen Fürbitte anzuregen.
1. Es wird eure Herzen mit Liebe zueinander erfüllen. Wer jeden Tag von Herzen am Thron der Gnade für die ganze Menschheit Fürbitte tut, kann gar nicht anders als innerhalb kürzester Zeit mit Liebe und Nächstenliebe gegenüber allen erfüllt zu sein; und die häufige Ausübung dieser Liebe auf diese Weise wird sein Herz unmerklich vergrößern und ihn zum Teilhaber an dem gigantischen Überfluss darin machen, der in Christus Jesus, unserem Herrn, ist. Neid, Bosheit, Rache und ähnliche höllische Gesinnungen können sich nie lange in der Brust eines gütigen Fürbitters halten; sondern er wird mit Freude, Frieden, Sanftmut, Langmut und allen anderen Gaben des Heiligen Geistes erfüllt sein. Indem er die Bedürfnisse seiner Nächsten immer wieder vor Gott bringt, wird er mit einem Mitgefühl für sie berührt werden; er wird „sich mit den Fröhlichen freuen und mit den Weinenden weinen.“ 35Röm 12,15 Jede Segnung, die anderen gewährt wird, wird als eine Antwort auf seine besondere Fürbitte betrachtet werden, anstatt Neid in ihm hervorzurufen, und seine Seele erfüllen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude. 361Petr 1,8
Deshalb tut euch reichlich hervor in Akten der allgemeinen und besonderen Fürbitte; und wenn ihr von den Fehlern eurer Nächsten hört, legt sie im Geheimen vor Gott hin und bittet ihn, sie zu korrigieren und zu verbessern, anstatt anderen davon zu erzählen und sie bloßzustellen. Wenn ihr von einem notorischen Sünder hört, dann bittet Jesus Christus, ihn zu bekehren und zu einem Denkmal seiner freien Gnade zu machen, anstatt zu denken, dass es recht von euch ist, zornig über ihn zu sein. Ihr könnt euch nicht vorstellen, welche gesegnete Veränderung diese Praxis in eurem Herzen bewirken wird und wie sehr ihr Tag für Tag zunehmen werdet am Geist der Liebe und Sanftmut gegenüber allen Menschen!
Und um euch noch mehr zur ständigen Ausübung dieser Pflicht der Fürbitte zu motivieren, bedenkt doch die vielen Beispiele in der Heiligen Schrift für ihre Kraft und Wirksamkeit. Große und wunderbare Dinge werden dort aufgezeichnet als Effekt dieser göttlichen Beschäftigung. Sie hat Plagen gestoppt, den Himmel geöffnet und geschlossen und oft den Zorn Gottes von seinem Volk abgewendet. Wie wurde Abimelechs Haus durch Abrahams Fürbitte von der Krankheit befreit, die Gott über sie gebracht hatte! Als Daniel seine Seele demütigte und kasteite und für das Erbe des Herrn Fürbitte leistete, wie schnell wurde ein Engel gesandt, um ihm zu sagen: „Dein Gebet wurde erhört!“ 37Dan 9,23 Und, um nur ein weiteres Beispiel zu erwähnen, wie bezeugt Gott förmlich, dass er sich durch Moses‘ Dringlichkeit umstimmen ließ, als dieser für das abgöttische Volk Fürbitte leistete: „Nun lass mich“ 382Mo 32,10 sagt Gott!
Das zeigt zur Genüge, ich könnte fast sagen, die Allmacht der Fürbitte und wie wir wie Jakob mit Gott ringen und durch eine heilige Gewalt sowohl für uns selbst als auch für andere den Sieg davontragen können. Und zweifellos ist es den geheimen und wirkungsvollen Fürbitten der wenigen Gerechten, die noch unter uns sind, zu verdanken, dass Gott diese elend sündige Nation bisher verschont hat: Denn wären nicht einige solche gläubigen Seelen übriggelassen, die so wie Mose in die Bresche treten, 39Ps 106,23 so würden wir bald vernichtet werden wie Sodom und zu Asche reduziert wie Gomorra.
Um euch weiter zu dieser Ausübung der Fürbitte anzuspornen, bedenkt, dass es in aller Wahrscheinlichkeit auch die häufige Beschäftigung selbst der verherrlichten Heiligen ist: Denn sie sind zwar von der Last des Fleisches erlöst und zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes 40Röm 8,21 zurückgebracht, aber weil ihr Glück nicht vollkommen vollendet sein kann bis zum Tag der Auferstehung, wenn alle ihre Brüder mit ihnen verherrlicht sein werden, können wir nicht anders als zu denken, dass sie oft innig unseren himmlischen Vater anflehen, die Zahl seiner Auserwählten bald zu vollenden und sein Reich herbeizuführen. Und sollten wir, die wir noch auf Erden sind, nicht oft in dieser göttlichen Aufgabe mit der herrlichen Gemeinschaft der Geister der vollendeten Gerechten 41Heb 12,23 beschäftigt sein? Da unser Glück so sehr in der Gemeinschaft der Heiligen in der triumphierenden Kirche droben besteht, sollten wir nicht häufig für die streitende Kirche hier unten Fürbitte leisten und inständig bitten, dass wir alle eins seien, wie der Heilige Jesus und sein Vater eins sind, damit auch wir in eins vollendet werden mögen? 42Joh 17,21-23
Um euch zu diesem großen Werk und Liebesdienst anzuspornen, erinnert euch daran, dass dies die unaufhörliche Beschäftigung des heiligen und hoch erhobenen Jesus selbst ist, der zur Rechten Gottes sitzt, um all unsere Gebete zu hören und beständig Fürbitte für uns zu leisten! So tut derjenige, der ständig für andere Fürbitte leistet, auf Erden das, was der ewige Sohn Gottes stets im Himmel tut.
Deshalb stellt euch vor, wenn ihr heilige Hände im Gebet für einander erhebt, dass ihr die Himmel geöffnet seht 43Apg 7,56 und den Sohn Gottes in all seiner Herrlichkeit wie den großen Hohepriester eures Heils, der die allgenügsame Verdienste seines Opfers vor dem Thron seines himmlischen Vaters für euch darbringt! 44Heb 7,26-27 Vereinigt dann eure Fürbitten mit den seinen und bittet ihn, dass sie durch ihn als Räucherwerk aufsteigen und als ein lieblicher Wohlgeruch vor Gott angenommen werden mögen. 45Offb 8,3-4 Diese Vorstellung wird euren Glauben stärken, eine heilige Ernsthaftigkeit in euren Gebeten hervorrufen und euch dazu bringen, mit Gott zu ringen, wie Jakob es tat, als er ihn von Angesicht zu Angesicht sah und er doch am Leben blieb; 461Mo 32,30 und wie Abraham, als er für Sodom flehte und wie Jesus Christus selbst, als er in angstvollen Seelenkampf geraten war, betete er noch inbrünstiger, 47Lk 22,44 in der Nacht vor seiner bitteren Passion.
Und nun, meine Brüder, was soll ich noch sagen, da ihr selbst von Jesus Christus gelehrt worden seid, überreich zu sein in der Liebe und in diesem guten Werk, füreinander zu beten? Auch wenn ihr noch so gering seid, auch wenn ihr so arm seid wie Lazarus, werdet ihr dann zu Wohltätern für die ganze Menschheit werden; Tausende, und zwanzigmal Zehntausende, werden dann um euretwillen gesegnet sein! Und nachdem ihr euch ein paar Jahre hier in dieser göttlichen Übung engagiert habt, werdet ihr an jenen glücklichen Ort versetzt werden, von dem ihr euch so oft gewünscht habt, dass andere dorthin entrückt würden; und ihr werdet erhöht werden, zur Rechten unseres Allmächtigen, Alles unterwerfenden Fürsprechers im Reich seines himmlischen Vaters zu sitzen.
Aber ich kann nicht anders, als euch diese Pflicht ganz besonders jetzt ans Herz zu legen, denn alle von euch, unter denen ich nun gepredigt habe, werden mich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr sehen: Denn ich gehe jetzt (ich vertraue unter der Führung von Gottes heiligstem Geist) von euch fort und weiß nicht, was mir begegnen wird. Deshalb benötige ich eure innigsten Fürbitten, dass mich nichts von meiner Pflicht abbringe und mein Leben mir auch selbst nicht teuer ist, damit ich meinen Lauf mit Freuden vollende und den Dienst, den ich vom Herrn Jesus empfangen habe, das Evangelium der Gnade Gottes zu bezeugen. 48Apg 20,24
Während ich hier war, habe ich es nach bestem Wissen nicht unterlassen, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen. 49Apg 20,27 Und auch wenn meine Predigt für einige ein „Geruch des Todes zum Tode“ gewesen sein mag, so vertraue ich doch darauf, dass sie für andere ein „Geruch des Lebens zum Leben“ 502Kor 2,16 gewesen ist. Deshalb hoffe ich inständig, dass diese nicht versäumen werden, sich in ihren Gebeten an mich zu erinnern. Was mich selbst betrifft, so werden die vielen unverdienten Freundlichkeiten, die ich von euch erhalten habe, es mir nicht gestatten, euch zu vergessen. Aus der Tiefe, so vertraue ich, soll mein Rufen zu Gott kommen; 51Ps 130,1 und während die Winde und Stürme über mir tosen, werde ich für euch zum Herrn flehen. Denn es ist nur noch eine kurze Zeit und „wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi,“ 522Kor 5,10 wo ich Rechenschaft ablegen muss über die Lehre, die ich gepredigt habe, und ihr über eure Besserung unter ihr. Und oh, dass ich niemals als schneller Zeuge gegen irgendeinen von denen aufgerufen werde, für deren Heil ich aufrichtig, wenn auch zu schwach, gesehnt und gearbeitet habe!
Es stimmt, ich bin von einigen dafür kritisiert worden, aus eigennützigen und selbstsüchtigen Motiven zu handeln; „mir aber ist es ein Geringes, von Menschen gerichtet zu werden.“ 531Kor 4,3 Ich hoffe, dass mein Auge lauter ist; 54Mt 6,22 aber ich flehe euch an, Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes in Christus Jesus, betet, dass es noch mehr so werde! Und dass ich „wachse in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Retters Jesus Christus.“ 552Petr 3,18
Und nun, Brüder, was soll ich noch sagen? Ich wünschte, ich könnte meine Rede viel länger fortsetzen; denn ich kann die Sehnsucht meiner Seele nach euch niemals vollständig ausdrücken! Schließlich, Brüder, was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was rein, was liebenswert, was wohllautend ist; gibt es irgendeine Tugend und irgendetwas Lobenswertes, 56Phil 4,8 wenn ein Trost in Christus, wenn eine Gemeinschaft des Geistes, 57Phil 2,1 wenn irgendeine Hoffnung darauf besteht, dass wir uns zu unserem Trost vor dem furchtbaren Tribunal Jesu Christi wiedersehen, „darauf seid bedacht, was ihr gehört habt“ 58Phil 4,8-9 und darauf, was eure Prediger euch verkündet haben und weiterhin verkünden werden; und unter ihrem Dienst „bewirkt euer eigenes Heil mit Furcht und Zittern,“ 59Phil 2,12 damit, ob ich euch nie wiedersehe oder ob es Gott wohlgefällt, mich eines Tages wieder zu euch zu bringen, ich immer die Gewissheit habe, dass euer Wandel würdig des Evangeliums Christi ist. 60Phil 1,27
Fast überrede ich mich selbst dazu, dass ich bereit wäre, alles zu erleiden, wenn es in irgendeiner Weise das Heil eurer kostbaren und unsterblichen Seelen fördern könnte; und ich bitte euch als meine letzte Bitte: „Gehorcht denen, die über euch gesetzt sind“ 61Heb 13,17 im Herrn; und seid stets bereit, an ihrem Dienst teilzunehmen, so wie es die euch gebotene Pflicht ist. Denkt nicht, dass es mich danach verlangt, mich auf Kosten des Charakters eines anderen zu erhöhen; sondern denkt eher so, dass ihr von niemandem seine Person zu sehr bewundert; sondern wertschätzt alle eure Geistlichen sehr in Liebe, so wie sie es für ihre Arbeit gerecht verdient haben.
Und nun, Brüder, befehle ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade an, das die Kraft hat, euch aufzuerbauen und euch ein Erbe unter allen Geheiligten zu geben.“ 62Apg 20,32 Möge Gott euch belohnen für all eure Werke des Glaubens und Mühen der Liebe und euch immer mehr überreich machen zu jedem guten Wort und Werk 632Kor 9,8 gegenüber allen Menschen. Möge er alle wahrhaft bekehren, die überzeugt worden sind, und alle aufwecken, die tot sind in Übertretungen und Sünden! 64Eph 2,1 Möge er alle stärken, die wanken! Und mögt ihr alle vorwärtsgehen von einer Gnade zur anderen, 652Kor 3,18 bis ihr zum Maß der vollen Reife der Fülle Christi 66Eph 4,13 gelangt seid und dadurch dazu befähigt werdet, vor jenem Gott zu stehen, vor dem ist Freude die Fülle und Wonne zu seiner Rechten ewiglich!“ 67Ps 16,11 Amen! Amen!
Fussnoten
- 1Joh 13,35
- 21Petr 1,22
- 31Kor 13,3
- 4Apg 9,11
- 5Röm 5,5
- 6Mt 22,39
- 71Joh 3,16
- 81Petr 2,21
- 9Mt 6,9
- 101Tim 2,1
- 111Tim 2,4
- 12Hab 2,14
- 13Lk 1,79
- 14Mt 6,10
- 15Ps 67,3
- 161Tim 2,2
- 17Jak 1,27
- 18Apg 20,28
- 191Thess 5,25
- 20Eph 6,18-19
- 21Röm 15,30
- 22Apg 9,15
- 23Mt 9,38
- 241Kor 3,6
- 252Mo 17,12
- 264Mo 12,13
- 27Mk 5,23
- 284Mo 27,5
- 29Joh 16,13
- 30Lk 22,31
- 31Mt 5,44
- 32Lk 23,34
- 332Kor 4,2
- 34Mt 18,6-7
- 35Röm 12,15
- 361Petr 1,8
- 37Dan 9,23
- 382Mo 32,10
- 39Ps 106,23
- 40Röm 8,21
- 41Heb 12,23
- 42Joh 17,21-23
- 43Apg 7,56
- 44Heb 7,26-27
- 45Offb 8,3-4
- 461Mo 32,30
- 47Lk 22,44
- 48Apg 20,24
- 49Apg 20,27
- 502Kor 2,16
- 51Ps 130,1
- 522Kor 5,10
- 531Kor 4,3
- 54Mt 6,22
- 552Petr 3,18
- 56Phil 4,8
- 57Phil 2,1
- 58Phil 4,8-9
- 59Phil 2,12
- 60Phil 1,27
- 61Heb 13,17
- 62Apg 20,32
- 632Kor 9,8
- 64Eph 2,1
- 652Kor 3,18
- 66Eph 4,13
- 67Ps 16,11